Wenn die versteckten Orte und die Lost Places einer Stadt zu wenige werden, müssen die beiden wieder umziehen. Das geschieht in letzter Zeit immer häufiger und immer schneller. Aktuell ist das allerdings noch nicht der Fall. Noch läuft man hier und dort Fremden und anderen Neuigkeiten über den Weg, es gibt noch genug Orte zu entdecken und weiterhin genug Lost Places, um selbst in der Dämmerung noch sowohl Lušis als auch den lokalen Teenagern einen Ort zu geben, um sich zurückzuziehen.
Lušis und Wroben sind ein Paar. Seit einigen Jahren ziehen sie jetzt bereits gemeinsam von Stadt zu Stadt, nur dann eben nicht in die gleiche Wohnung. Die beiden Wohnungen sind dann jeweils soweit voneinander entfernt, dass sich – nun man könnte sagen – ihre Reviere überlappen. Manchmal laufen sie sich dabei zufällig über den Weg, manchmal verbringen sie an so einem Tag sogar ein paar Stunden zusammen: tagsüber treffen sie sich auf Kaffees – dann bespricht man sich meistens: neue Ideen oder Projekte. Hin und wieder machen sie einen Ausflug in eine entfernte Stadt. Den einen oder anderen Abend treffen sie sich auch bei ihm oder bei ihr: selten klopft da der eine einfach beim anderen, öfter schreibt man sich davor kurz eine Nachricht: “?” … “:)”.
Lušis hat einen Lilastich in ihren Haaren, sie ist groß, hat ein schönes, typisch skandinavisches Gesicht, mit einer katzenhaften Nase und verbringt die Abende meistens auf der Straße. Wenn sie dann von ihren Streifzügen heimkehrt, hat sie manchmal etwas gefunden und versucht es aus dem Gedächtnis zu malen, zu formen oder – in seltenen Fällen – entwirft sie sogar ein Drehbuch oder auch einzelne Szenen eines Filmes um den Gegenstand oder die Person herum. Wenn ihr “Riss” nicht verschwindet, kehrt sie über mehrere Tage immer wieder zu ihm zurück – bis es an der Zeit ist, etwas Neues zu finden, sich wieder auf die Pirsch zu begeben.
So ein Riss kann manchmal auch ein Geräusch sein: durch unterschiedliche Bäume und je nachdem wie die Häuser stehen, streicht der Wind nämlich unterschiedlich … ebenso wenn Regen in der Luft liegt, Wolken bereits den Himmel verdecken, das Laub noch voller Saft oder bereits vertrocknet ist. In gleicher Weise klingt ein Konzert anders, ob man es aus einem ein wenig abseits gelegenen Wald oder aus dem Obergeschoss einer verlassenen Fabrik her belauscht. Und dann wird ein Geräusch geformt, gemalt, wird ein Film um ein Geräusch herum entworfen.
Lušis hat eine empfindliche Nase und ein feines Gehör. Ihr größter natürlicher Feind sind demnach Straßen. Ebenso Autos, Lautsprecher (jeglicher Art) und noch lebendige Fabriken. Straßenmusikanten, bellende Rehe und heulende Wölfe sind, solange sie nicht zu früh morgens ihren Schlaf stören, in Ordnung; sogar Teenager und das gewöhnungsbedürftige Klagen einer rolligen Katze ist noch erträglicher als totes, grundloses und/oder beständiges Brummen: es verpestet die Luft, ebenso wie Abgase und Menschen, die sich morgens nicht die Zähne putzen oder mit einer Parfümwolke um sich herum spazieren.
Marco
Kommentare von Marco Zander