von der Jugend meiner Großmutter, Wespentaillen und Pflichten in Machtpositionen, von Faustregeln in Sachen Gerechtigkeit, dem Tod und Einübungen im Christentum
Was dich erwartet
In diesem Beitrag versuche ich darauf hinzuweisen, was uns schwer fällt — und wir trotzdem tun sollten: von unserer eigenen Stellung in der Welt zu abstrahieren und unser Handeln nach einem sich nach dieser Position richtenden Maßstab zu bemessen.
In der Tendenz ist der Beitrag vom Zugänglicheren zum Hürdenreicheren aufgebaut.
Zunächst führe ich zu einer, wie mir scheint, oftmals konsensfähigen Faustregel hin: je mehr Macht das Individuum hat, desto mehr sollte es sich selbst in die Pflicht nehmen, mit ihr verantwortungsbewusst umzugehen. Danach gehe ich auf eine menschliche Tendenz ein, von der ich glaube, dass sie uns davon abhält, zu einer besseren Welt zu kommen. Ich hoffe, dass der:die Leser:in sie auch bei sich einsieht und sie auch dort als problematisch erkennt.
Vorbemerkungen
Zuvor aber zwei Vorbemerkungen.
Triggerwarnung
In diesem Beitrag geht es um emotional aufgeladene Themen. Insofern möchte ich eine kleine Triggerwarnung vorab aussprechen. Keine Angst, es geht nicht um Vergewaltigungen oder Kriegserfahrungen. Ganz im Gegenteil: Es geht um Urlaube, um erste eigene Autos und um Feminismus — sogar um Badewannen und das Erben, um Lebensstil-, also um emotionale Themen — um solche, bei denen man sich aller Wahrscheinlichkeit nach bereits positioniert findet.
Ich habe sie bewusst gewählt und möchte dich vorab bitten, auch dran zu bleiben, wenn du dich an der einen oder anderen Stelle getriggert fühlst, genau um diese Impulse soll es auch gehen — und darum sie als gegebenenfalls problematisch zu erkennen.
Mein(e) Text(e)
Dieser Text versucht, meine Gedanken zu strukturieren und mir meine Position dabei oft erst deutlich zu machen. Vielleicht ist es hin und wieder ganz gut, die Gedanken darin als solche zu verstehen. Sie stellen in erster Linie Forderungen an mich; an dich erstmal nur, zu versuchen, sie nachzuvollziehen und für dich unvoreingenommen einzuordnen. Und ich will dabei immer strenger gegen mich als gegen dich sein und bin das, denke ich, auch. Vielleicht sollte man auch das ab und zu im Hinterkopf behalten.
Na dann, los jetzt.
Was schwer fällt — und man trotzdem tun sollte
I: Dass mit mehr Macht mehr Verantwortung kommt
Weihnachten 2022: Ich sitze mit meiner Mutter und meiner Großmutter beim Abendessen. Oma erzählt von ihrer Jugend auf dem Bauernhof, erzählt, dass man — weil es kein fließend Wasser im Haus gab — den Löffel nach dem Essen einfach abschleckte und ihn danach wieder zurück in die Schublade des Tisches für die nächste Mahlzeit lag. Und wenn wirklich mal etwas abgewaschen wurde, dann gab es einen Eimer Wasser für das Geschirr der ganzen Familie. “Das war in Deutschland und es ist keine 80 Jahre her.”, denke ich.
Am Abend sitze ich in meinem Kinderzimmer und frage mich, was sich seitdem nicht alles verändert hat, wie anders die Jugend meiner Großmutter und meine gelaufen ist; wie unglaublich es ist, dass wir es in so kurzer Zeit geschafft haben, von “es gibt kein fließend Wasser in vielen Häusern” zu “unser Lebensstil bedroht einen großen Teil des Lebens auf dem Planeten” zu kommen.
In meinem Blickfeld ist dabei alles voller Bücher. Die meisten davon sind Fantasy; viele handeln von Elfen: ein Volk, das es in eigentlich jeder Version schafft, seine Städte im Einklang mit der Natur zu bauen, oft haben diese Elfen keine eng begrenzte Lebensspanne, sondern können ähnlich mancher Pilzarten beinahe beliebig lange leben: bis sie eines Tages zu müde werden … und Abschied nehmen. Weiter führen mich meine Gedanken zum alten China: aus einer heutigen Perspektive beinah so fern wie diese Elfenreiche.
I.1: Vom alten China zu “The World is Doomed”
Über die Gesellschaft damals hörte ich mal, dass dort angeblich je mehr Macht ein Individuum besaß, es auch immer mehr Pflichten aufgelastet bekam. Der mächtigste Mann im Land, der Kaiser, hatte deswegen die meisten Pflichten in seinem Alltag zu erledigen. Er hatte das engste Korsett zu tragen. Aber nicht nur seine, sondern jedermanns Pflichten wuchsen mit dem Maß an Verantwortung, das er trug, und mit der Macht, die er hatte.
Mir scheint es wichtig, das auf unsere heutige Situation zu übertragen. Auf die Menschheit als Ganzes, ebenso wie auf das Individuum und natürlich auf Frauen wie auch auf Männer — auf jede:n.
Denn dass die Menschheit mächtig genug geworden ist, um sich großteils oder sogar komplett selbst zu vernichten (Stichwort Atombomben), ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht zu bringen und das Klima beträchtlich zu beeinflussen, demonstrieren wir gerade auf erschreckend verantwortungslose Weise. Und ich glaube nicht, dass die Intentionen dabei jemals schlecht waren; ich glaube, die Menschen haben es mit sich und ihren Nächsten dabei eigentlich immer ganz gut gemeint; vermutlich wollten sie einfach nur Innovationen weiterführen und haben sich dabei erstmal einfach am eigenen Fortschritt erfreut — und es hat ja funktioniert, nicht?, sie hatten es besser — und ihre Kinder (bisher) ebenso.
Wenn ich an den ungewaschenen Löffel in der Schublade denke — kann ich es ihnen da wirklich übelnehmen?, dass sie nicht so weitsichtig waren, dass sie nicht bewusst nach möglichen Schattenseiten der Entwicklung fragten, als sich die Welt nach und nach zum Besseren und immer Besseren für sie wandelte?, dass man nicht früher begonnen hat, innezuhalten und sich zu überlegen, welche negativen Effekte mein “Fortschritt” andernorts haben könnte? … Hmm.
Und heute? Ist es absehbar, dass erstens an sich und seine Nächsten zu denken nicht mehr genügt — zu meinem Warum später mehr — und dass wir zweitens meilenweit davon entfernt sind, eine weitere Perspektive einzunehmen, eine die uns Verantwortung für unser Handeln übernehmen lässt.
“The World is Doomed”, denke ich.
I.2: Von “The World is Doomed” zur ersten Faustregel
Es mag nicht so klingen, was mir da aber manchmal hilft, ist der Gedanke an den Tod. Nicht so sehr an meinen eigenen und dass ich das vielleicht alles gar nicht mehr in seiner schlimmsten Ausprägung miterleben muss, sondern dass jeder Mensch, immer wieder von vorne anfangen muss und nicht wieder in den alten Überzeugungen gefangen ist. Wir sterben und machen Platz für weniger festgefahrene Menschen.
Ich habe ein Fünkchen Hoffnung, dass die Menschen so eines Tages im Bewusstsein aufwachsen, dass sie je mächtiger sie werden, je mehr Privilegien sie haben, desto strenger mit sich selbst sein müssen.
Ich denke, das wäre eine gute Maxime, an die sich alle Menschen heute schon halten sollten. Eine Maxime, zu der wir den Weg bereiten sollten.
Nehmen wir mich als Beispiel: Ich halte mich für überdurchschnittlich intelligent, habe einen Master of Science, die Möglichkeit mich immer weiter zu bilden, sogar noch zu studieren. Ich bin ein weißer Mann, mehr oder weniger blond, bin zwar von einer alleinerziehenden Mutter ohne Universitätsabschluss großgezogen worden, habe von ihr aber eine gute finanzielle Bildung mitbekommen und sie hat immer gut verdient. Ich war auf einer Schule, die sich selbst als Elite bezeichnete, auf einer Schule, auf der man wirklich versucht hat, mich zu fördern. Ideal war das Umfeld dort trotzdem sicher nicht für jede:n, für manche war diese Schule vielleicht ein Hemmschuh, aber mich hat sie ehrlich versucht zu fördern. Ich wurde gut betreut. Insofern sehe ich mich im globalen Vergleich als außerordentlich privilegiert und sogar relativ mächtig.
In selber Weise gehe ich aber auch bei dir, liebe Leserin, lieber Leser, davon aus, dass du, je intelligenter du bist, je mehr Vorrechte du hast, je mehr Optionen dir offen stehen, — auch, wenn du dir diese neuen Optionen selbst erarbeitet hast —, je mehr Fähigkeiten dir innewohnen, je mehr Geld du verdienst und je besser es dir geht, dir umso stärker dein Pflichtenkorsett schnüren solltest, wie es eben Sitte beim Kaiser gewesen ist. Vermutlich kannst du mittlerweile schneller reisen, als er es sich jemals hätte träumen lassen; hast eine Lebensmittelauswahl im Supermarkt, die seine Augen groß werden ließe, und die Fülle an Informationen, die dir im Internet und in Bibliotheken zur Verfügung steht, ist etwas, das keinem Adligen vor wenigen hundert Jahren irgendwie möglich gewesen wäre. All das spielt für mich zusätzlich mit in meine Überzeugung, dass du an dich und wir an uns höhere Anforderungen stellen sollten als du es aller Wahrscheinlichkeit nach aktuell tust.
Das ist also die erste Faustregel, die in diesen Beitrag soll: spann dir dein Korsett — und spann es beinah so fest, wie eine junge Dame der Pariser Gesellschaft im 19. Jahrhundert: für die Wespentaille müssen wir uns leider zunächst so aushelfen, bis wir vielleicht einst die gesellschaftlichen Fortschritte machen, dass es dieses groteske Ding nicht mehr braucht. Hoffentlich. Und wenn es dir hilft, dann ersetz das Korsett mit Fitnessstudiobesuchen und die Wespentaille mit dem V-Kreuz … oder wie auch immer gearteten Rundungen — solange es für dich funktioniert, soll mir das alles recht sein.
II: Vom Abstrahieren — und den Schwierigkeiten dabei
Je mehr Macht wir haben, desto enger sollten wir uns dieses Korsett also spannen. In diesem Teil soll es jetzt genau darum gehen, was es dann heißt, verantwortungsbewusst mit der zunehmenden Macht, den Optionen, Fähigkeiten, dem Geld und den Vorrechten umzugehen. Und dabei wird es darauf hinauslaufen, von der eigenen Position zu abstrahieren.
(Die Idee geht dabei auf John Rawls’ berühmten Schleier des Nichtwissens zurück. Später mehr dazu.)
Zunächst gehen wir allerdings auf ein paar Schwierigkeiten ein, die uns dabei im Weg stehen. Solltest du bei dem Korsett nicht mitgegangen sein, bleib vielleicht trotzdem noch dran; mag sein, dass sich in dir bereits jetzt Einwände gegen meine Grundposition regen, auf die ich bald eingehen werde — bist du allerdings schon mit dem Korsett nicht mitgegangen befürchte ich, dass ich die Triggerwarnung von oben jetzt nochmal auffrischen sollte; vielleicht haben dich die Gedanken mit dem Korsett aber auch überzeugt, dann verlangt es jetzt erstmal noch nicht viel mehr von dir, als zu versuchen, dir dich frei schwebend über der Welt zu denken, deine Erfahrungen, nicht als deine zu denken, sondern als die eines von acht Milliarden Menschen irgendwo auf der Welt; sich nicht mit dir und deinen Erfahrungen zu identifizieren. Schwer genug — aber das ist, was wir jetzt einmal als Gedankenexperiment versuchen; und das ist unsere Arbeitsdefinition dafür, was es heißt, moralisch zu abstrahieren.
II.1: Rein! soll das Schöne bleiben
Der Beitrag hatte begonnen mit meiner Großmutter und mir. Und in der gerade beschriebenen abstrakten Einstellung gehen wir nun also zurück zu meiner Großmutter und mir. Wir vergleichen ihre Jugend mit meiner.
Meine Großmutter wurde morgens jeden Tag zum Bauern in der benachbarten Siedlung geschickt, um eine Kanne Milch für die Familie zu holen. Aus der Kanne stibitzte sie sich ein paar Schluck und füllte den Rest am Brunnen mit Wasser auf, worauf sie zu hören bekam, dass die Milch heute aber grässlich schmecke. Zu essen gab es den ganzen Winter über verschiedene Variationen von Kraut, dazu Rüben oder Kartoffeln und Brot, allgemein Eintopf, viele Graupen und im Sommer auch Tomaten, Beeren, was der Garten halt so hergab.
Ich dagegen bin aufgewachsen mit PlayStation, Computer und ab einem gewissen Alter wohl mindestens einer Flugreise jedes Jahr. Meist fuhr mich meine Mutter morgens mit dem Auto in die Schule, die Pausenbrote waren mit Wurst oder Käse belegt, mit Nutella oder Butter bestrichen, in der Schule gab es mittags oft Gulasch, besonders freuten wir uns über Wiener Schnitzel, Bohnen und Spätzle gab es als Beilage zum Ragout — dazu eine Schüssel Obst, aus der sich jede:r bedienen konnte: Äpfel, Bananen, Birnen und Nashi-Birnen, Mandarinen, Kiwi, Orangen und Grapefruit, … . Nachmittags bzw. abends ging ich dann zu Fuß heim.
Diese Konstellation — der Lebensstil meiner Jugendzeit verglichen mit dem meiner Großmutter — findet man in Kommentarspalten von Welt-Leser:innen immer wieder als Einwand gegen meine Generation vorgebracht. In Kürze wird meist berichtet, wie wenig sie hatten, als sie noch jung waren — im Vergleich zu der verwöhnten Generation, die nichts mehr arbeiten will und jetzt auf Verzicht pocht. Das ist ein nachvollziehbarer Einwand. Versuchen wir allerdings die oben beschriebene Perspektive einzunehmen, müssen wir konstatieren, dass diese Rechnung nicht aufgeht, weil der:die Durchschnittsdeutsche heute eben bereits komplett über die Verhältnisse lebt.
Was uns der Einwand meiner Meinung nach zeigt, ist eine Schwierigkeit, die uns begegnet, wenn wir versuchen eine unvoreingenommene Position einzunehmen: dass wir geneigt sind, Positionen zu verteidigen, wenn wir erstens selbst von ihnen profitieren oder profitiert haben und zweitens sie uns (hart) erarbeitet haben — und das gerade bei emotionalen Themen; es zeigt daher auch, wie schwer es uns fällt, uns die Schattenseiten des eigenen Wohlstands einzugestehen; wie stark für (vermutlich jeden) Menschen der Impuls ist, dass weder der Familienurlaub mit dem ersten eigenen Auto noch die Griechenlandreise im nächsten Sommer einen üblen Beigeschmack bekommen; der Drang, dass all das, was man sich ja mit viel Fleiß erarbeitet (hat), — zumindest scheinbar — nicht beschmutzt wird.
Und das ist ein Problem.
II.1 a) Was man sich hart erarbeitet hat — wird dadurch nicht besser
Ich will hier niemandem, ein schönes Erlebnis schlecht machen oder seine:ihre harte Arbeit streitig machen; mir ist bewusst, dass die einzelne Mallorcareise nicht das Problem ist, die eine im Affekt gekaufte Jeans oder die ein paar Grad zu warm geheizte Wohnung; zuletzt beziehe ich mich natürlich mit ein: meine Urlaube, meine Flugreisen, meine (geliebten, aber vermutlich ebenso luxuriösen) abendlichen Badewannenbesuche, mein jahrelanger Fleischkonsum, usw. Dennoch denke ich, dass wir — der:die Leser:in und ich, aber auch wir als Menschheit — mittlerweile zu mächtig sind, um so impulsiv schöne Erlebnisse, eigene Handlungen nur deswegen in Schutz zu nehmen, weil sie eine schöne Zeit für uns waren oder wir sie uns erarbeitet haben. Ich denke, dass wir uns unser Korsett schnüren sollten.
Deswegen brauchen wir eine neue kopernikanische Wende. Wir brauchen einige neue Perspektiven, einige Veränderungen in unserem Denken. Eine davon ist meiner Meinung nach, dass wir aufhören sollten von uns, als auf einem Planeten lebend zu denken. Wir leben zwar auf einem solchen, aber die heute angebrachtere Perspektive ist, dass wir in einem unfassbar großen Universum leben, in dem es eine verschwindend kleinen Zone gibt, in der Leben möglich ist. Von allem was wir bisher wissen, ist hinsichtlich dieses Gesichtspunktes, sonst überall einfach nichts: hunderttausende Kilometer, noch mehr Meilen oben drauf und dann nochmal mehr Lichtjahre: nichts. Keine Luft zum Atmen, keine Pflanzen oder Tiere, keine lebendigen Flüsse, keine hyperintelligenten Wesen in UFOs, keine Temperaturen, um mit dem T-Shirt draußen rumzulaufen, einfach nichts. Inmitten von toter Unendlichkeit gibt es eine klitzekleine lebensfähige Zone und in ihr leben wir: acht Milliarden Menschen und noch haben wir keinen Gott entdeckt, der sich für uns interessiert. Selbst wenn es ihn:sie gibt, scheint es nicht so, als würde er:sie in Notlagen im großen Maßstab eingreifen. So. Und uns in dieser Situation befindend sind uns gewisse planetare Grenzen gesetzt, bis zu denen uns Menschen eine Lebensgrundlage geboten wird und “unsere” Ökosysteme nicht komplett aus der Spur geraten. In Deutschland und der gesamten westlichen Welt wissen wir heute außerdem, dass unser derzeitiger Lebensstil diese Grenzen sprengt und das verstärkt sich nur noch, je mehr Menschen ihn annehmen. Außerdem wissen wir, dass jedes Jahr, in dem wir ihn auf diese Weise weiterleben, der Lebensstil, den wir uns dann noch leisten können, um diese Grenzen nicht zu sprengen sinkt, drastisch — ebenso wie derjenige, den wir und unsere Kinder und Kindeskinder gezwungen sein werden anzunehmen.
Unsere Welt als schmale lebensfähige Zone ist also eine Perspektive, die wir heute einnehmen sollten, und die uns hilft einzusehen, dass wir als Individuen und als Menschheit mittlerweile zu mächtig sind, um dem Impuls, was ich mir mit Fleiß erarbeitet habe, muss gut sein nachzugeben. Angesichts dessen was wir heute wissen, ist es geradezu absurd, dass wir unseren Lebensstil noch immer damit rechtfertigen, dass wir “ihn uns ja auch hart erarbeitet haben” — obwohl das auch wahr ist. Und das Gleiche gilt für den Drang, dass nicht beschmutzt wird, was uns schöne Erinnerungen schafft oder geschaffen hat.
Also: Den Planeten interessiert es vermutlich nicht, was wir mit ihm machen. Mutter Natur wird nicht beleidigt sein. Aber dass wir die einzige Zone weit und breit verpesten, die uns Leben ermöglicht; dass wir sie teils unbewohnbar machen, das sollte uns interessieren. Dabei ist es natürlich trotzdem unwahrscheinlich, dass wir damit die ganze Menschheit ausrotten, aber dass es für auch jede:n meiner Leser:innen und deren Kinder schlechter wird, ist beinahe sicher. Insofern ist es sogar im eigenen Interesse all jener unter 45 und derer, denen ihre Kinder und Enkel am Herzen liegen, dass sich etwas verändert.
(Daher scheint mir, was manchen wie eine Maximalforderung vorkommen mag — von sich selbst zu abstrahieren — eigentlich eine Minimalforderung zu sein, die hehre wäre im Interesse des Lebendigen zu handeln — aber naja, das geht jetzt wohl zu weit. (Hier ein Ansatz.))
II.1 b) Und was mich bevorteilt — lässt du bloß in Ruhe!
Man ist also geneigt, eigene Errungenschaften zu verteidigen. Und genauso geht es uns mit den Positionen, von denen wir profitieren. Deswegen scheint es mir auch hier angebracht, eine Position, die mich bevorteilt, besonders kritisch zu prüfen.
Ein Beispiel: Erbschaftssteuer
Erbte ich bspw. ein, zwei Häuser von meinem Vater, würde ich eine Position gegen eine Besteuerung solch eines Erbes doppelt kritisch prüfen und mich eben besonders argwöhnisch gegen meinen ersten Impuls stellen, der vermutlich wäre, dass so eine “Doppelbesteuerung” unfair ist (mein Vater ja hart dafür gearbeitet hat); dass ja niemand mehr arbeiten würde, wenn sich das nicht mehr lohnt und er:sie es seinen:ihren Kindern vererben könnte. In kurz: Aus meinem Impuls heraus würde ich einfach möglichst viele Gründe suchen, um die Position zu verteidigen, die mir nützt.
Noch ein Beispiel: Feminismus
So ging es mir zum Beispiel auch beim Thema Feminismus, bei dem einem als Mann ja ziemlich schnell einmal unterstellt wird, man unterdrücke Frauen. Mein erster Impuls war: “Also ich wurde ja von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen. Ich tue das sicher nicht. Ich kann nicht das Problem sein und außerdem was für eine Frechheit, dass ich hier unter Generalverdacht gestellt werde. Vielmehr werde hier ja ich! benachteiligt! … Geht’s noch?!”, insbesondere als ich bspw. zum ersten Mal Marilyn Fryes Aufsatz Oppression gelesen habe oder auch als ich mit dem Gendern konfrontiert wurde: “Was ein Unsinn!” Genau diese Impulse haben mich dann aber argwöhnisch gemacht, dazu geführt, dass ich mich zumindest ein bisschen näher mit den Themen auseinandersetzte und einige meiner Positionen zu hinterfragte und änderte: Ich meine zum Besseren. In diesem Fall heißt das: zu einer Position, von der ich glaube, dass ich sie einzunehmen mir wünschen würde, wenn ich nicht wüsste, in welcher Geschlechtsidentität ich mich in die Welt geworfen finde. Das heißt nicht, dass jede Position, die eine:n profitieren lässt, moralisch verwerflich ist und man sie in ihr Gegenteil kehren sollte — erstmal ist es ja gut, wenn Menschen von etwas profitieren; den Impuls aber sich “zu verteidigen”, weil es gut für einen selbst ist, sollte man erstmal runterschlucken … und schauen, ob nicht — vielleicht gerade weil man diesen Impuls hat — etwas dran ist.
II.2: Das Abstrahieren von meiner Position
Wir haben jetzt testweise eine andere, neue Perspektive eingenommen, die uns die Fragilität unserer Lebenszone eher verdeutlicht, als wenn wir von uns als auf einem beinahe unzerstörbaren und riesigen Planeten denken. Und ganz allgemein haben wir besprochen, bei welchen unserer Impulse wir hellhörig werden sollten. Jetzt nähern wir uns einer anderen Perspektive, sozusagen der finalen Perspektive; der meiner Meinung nach wichtigsten und derjenigen, die uns helfen kann, eine gemeinsame Basis für eine gerechtere und bessere Welt zu schaffen und einen hilfreichen Maßstab für unser Handeln zu geben.
Dazu lege ich erstmal dar, wovon ich ausgehe, dann welche Einwände dagegen für mich nicht funktionieren — und warum; und zuletzt, welche Relativierung, die für mich durchaus zählt, es gibt — welche ich also (mit Fokus auf den Punkt 3.2) vornehme.
II.2 a) Wovon ich ausgehe
- Wir halten alle eine gerechte Welt für ein erstrebenswertes Ziel.
- Um diese zu erreichen, muss sich viel verändern.
- Wir haben allerdings die oben beschriebene Tendenz,
- die negativen Effekte unseres Handelns für andere bei etwas, das wir uns hart erarbeitet haben, nicht oder weniger anzuerkennen. Uns stattdessen Gründe zu suchen, die dieses etwas vor solch einer Verunreinigung bewahrt.
- die negativen Effekte unseres Handelns für andere bei etwas, das uns viel Freude bereitet, nicht oder weniger anzuerkennen. Uns stattdessen Gründe zu suchen, die dieses etwas vor solch einer Verunreinigung bewahrt.
II.2 b) Drei Fragen an einen guten Freund
Mein Ziel ist also eine gerechte, bzw. erstmal gerechtere Welt. … Und umgehend erwidert die Stimme eines guten Freundes, mit dem ich ähnliche Themen mitunter auch diskutiere, in mir: “Aber: Die Welt ist nunmal nicht gerecht und mein Aufopfern wird daran nichts ändern. Außerdem ist es mein gutes Recht, das Beste für meine Nächsten zu wollen.”
Das sind zwei Einwände, die ich gut nachvollziehen kann. Ich möchte sie nicht kleinreden, aber trotzdem darlegen, warum ich sie für zum Scheitern verurteilt halte. Deswegen bitte ich ihn, innezuhalten und sich ernsthaft auf drei Fragen einzulassen.
Die erste Frage
Die erste ist, ob er dann wirklich eine gerechte Welt anstrebt? “Nein.”, räumt er ein. Er ist allerdings ja auch nicht der Überzeugung, dass eine solche möglich ist. Und damit hat er der Diskussion eigentlich die Grundlage entzogen.
Die zweite Frage
Dennoch stelle ich ihm die nächste Frage: “Was ist denn dann dein Einwand gegen bestehende Eliten, wenn sie einfach nur weiter ihrem inneren Kreis, ihren Nächsten Ämter, Gelder, usw. zusteck(t)en? Machen die dann schon alles richtig so?” Ich meine, dass er an dieser Stelle verstehen würde, worauf ich hinaus will; er wendet aber ein, dass es etwas anderes ist, denn seine Position ist ja eine ganz anderer als die dieser Eliten. Habe ich nicht genau dafür vorhin argumentiert?, dass die eigene Stellung, die eigenen Privilegien eben schon eine Rolle spielen? Auch wenn er nie in völliger Armut gelebt hat, kennt er echte Geldnöte und weiß, wie es ist, wenn man Schulden hat oder wenn der Familie für viele Monate die Einnahmen wegbrechen. Und ich muss ihm recht geben, dass das einen Unterschied macht. … Aber dann würde ich vermutlich erwarten, dass man das verarbeitet, ihm zumindest nach und nach entwächst und sich bald, wie oben beschrieben, das Korsett beginnt enger zu schnallen — auf Basis der Privilegien, die man heute hat, die man sich eben auch selbst erarbeitet hat.
Die dritte Frage
Und stelle dann meine dritte Frage: Ob er meint, dass der Abstand zwischen erstens ihm und einer Person aus einem wirklich schlecht gestellten Teil der Erde und zweitens ihm und einer Person, die seiner Sicht zu den besagten Eliten gehört, nicht vergleichbar ist? Wenn ja, warum sollte dann nicht auch er den Anfang machen? Und das … überzeugt ihn noch immer nicht, aber immerhin bringt es ihn zum Nachdenken. Seine Gedanken wandern nicht zu einer der ganz großen Eliten oder Superreichen, nicht zu Joe Biden, Donald Trump, Elon Musk oder Kim Kardashian, sondern nur zu einer reichen YouTuberin, die seine Freundin regelmäßig verfolgt: Pamela Reif, die von London, auf eine schöne Insel nach der anderen hoppt. Der Unterschied zwischen ihm und ihr ist nicht so groß, wie zwischen ihm und einer Frau aufgewachsen im Jemen; würde er von Pamela Reif mehr Verantwortungsbewusstsein, weniger Flugreisen, weniger Marketing, mehr Verzicht auf das, was sie meint, sich hart erarbeitet zu haben, erwarten? Ja. Ganz eindeutig: Ja.
Ich schnaufe einmal kurz durch, bin erleichtert, dass er — zumindest in meiner Vorstellung — nicht komplett zugemacht hat.
Zusammengefasst will ich also sagen: Das Argument “So funktioniert die Welt aber nunmal nicht” zieht für mich eben nicht. Denn wenn wir alle so handeln, dann wird sich daran auch niemals etwas ändern und wir können uns einfach gegenseitig die Köpfe einschlagen, um zu bestimmen, was wir tun sollten. Ja, ich weiß, dass das mitunter eine zutreffende Umschreibung der Weltgeschichte ist. Aber … um so weiterzumachen sind wir heute eben zu mächtig. Und es ändert sich nichts, wenn wir so denken. Vor allem wird es sonst nach allem was wir wissen für die Menschheit (und das schließt uns in Deutschland mit ein) ziemlich steil bergab gehen.
II.2 c) Die (einzige) Relativierung — relativiert
Dennoch möchte noch die eine Relativierung bringen, die für mich funktioniert und wegen der ich geschrieben habe, dass du dir das Korsett eben nur beinahe so fest wie die jungen Mädchen der Pariser Gesellschaft im 19. Jahrhundert spannen sollst. Und diese ist, dass man sich nicht daran zugrunde richten sollte, um irgendwie eine Lebensweise zu erreichen, die, auf jeden Menschen der Erde übertragen, tragbar für unsere schmale Lebenszone ist. Das ist die eine Relativierung, die für mich Sinn ergibt. Ich wünsche mir und hoffe auf eine bessere Zukunft: für mich hat dabei Vorrang, dass wir in ihr bessere Menschen sind; ich glaube aber auch, dass es uns auf diese Weise besser gehen wird.
Bevor wir nun aber zu dieser positiven Zukunftsvision kommen und was uns dabei helfen kann, dorthin zu kommen, möchte ich nichtsdestotrotz die Relativierung … relativieren: Wenn beispielsweise PKWs — eine Erfindung des 19. Jahrhunderts —, Flugreisen — ein Menschheitstraum, der bis vor kaum hundert Jahren für unmöglich gehalten wurde —, beinahe täglicher Fleischkonsum — eine Gewohnheit, von der wir auch wissen, dass es sie weder für eine gesunde noch für eine schmackhafte Ernährung braucht —, jeden Monat neue Klamotten und so weiter als geradezu notwendig für ein gutes, ja lebenswertes Leben gesehen werden, dann erwarte ich, dass man innehält, zunächst stutzig und dann ernsthaft skeptisch wird. Wie kann das sein? Und wer oder was “braucht” da in mir? Ist das richtig so? Kann ich wollen, dass man so lebt? Will ich das durch mein Verhalten in unserer Gesellschaft und in der Welt verfestigen?
Wie kann das also sein? Mir scheint ein großer Teil gesellschaftlicher Druck zu sein. Diesen allerdings ist es genau an uns zu verändern; nicht es noch zu bekräftigen … vielleicht sehe ich hier in Ansätzen jene Pflicht zum Ungehorsam, mit der ich schon mindestens ein paar Monate innerlich ringe. Eine andere Vermutung ist, dass viel Ersatzhandlung ist: Man belohnt sich dafür, dass man so viel arbeitet, so hart, eigentlich an etwas, auf das man gar keine Lust hat, arbeitet. Und das ist ein weiterer Grund, weshalb ich nicht glaube, dass “Wir müssen einfach noch härter arbeiten, um unseren Lebensstil zu sichern” funktionieren wird.
Ich verlange also nicht, dass du dich zugrunde richtest; sehr wohl, dass du für (d)ein gutes Leben einiges von Grund auf hinterfragst. Ich verlange nicht, dass du beständig leidest; sehr wohl, dass du dich fragst, wie (d)ein gutes Leben möglich ist … auf eine Weise, die die negativen Effekte deiner Handlungen für andere nicht als unumgänglich abtut.
Denn ich denke, das ist möglich. Und dem möchte ich mich jetzt noch zuwenden.
II.3: Wie die Basis für eine gerechte(re) Welt schaffen
Meiner Meinung nach, müssen wir smarter Arbeiten, an den richtigen Dingen arbeiten, glücklicher mit uns sein, selbstgenügsamer werden und Dinge finden, die wir gerne tun, dabei aber keine negativen Effekte auf die Allgemeinheit haben, ja vielleicht sogar positive:
Beispiele für derlei Handlungen
Gründe einen Verein — für Bienenzucht und Nachbarschaftshilfe vielleicht, vielleicht auch für die bessere Nutzung öffentlicher Flächen. Triff öfter Freund:innen. Geh im Winter regelmäßig eisbaden (evtl. nachdem du deinen Arzt konsultiert hast), im Sommer noch öfter einfach baden. Überleg dir dritte Orte und versuch sie zu schaffen. Sprich mit alten Menschen, schreib Tagebuch, meditiere. Informier dich über Musik, hör Musik und bilde dir eine Meinung zu Musik, meinetwegen schreib Texte über Deutschrap. Tanz, pflege Wälder (und informier dich davor darüber) — im Zweifel sammle Müll: in Wäldern oder in deinem Viertel. Engagiere dich in einem Sportverein; überleg dir Tätigkeiten, für die nirgends Werbung geschaltet wird; Tätigkeiten, die positive Effekte für die Allgemeinheit haben, schlag sie anderen vor und geh ihnen nach. Kauf deine Wundcreme nicht, sondern mach sie selber; sammle essbare Pilze — bereite sie zu. Reparier Parkbänke. Mach Tandem-Sprachkurse mit Migrant:innen, lies definitiv Kierkegaard, schreib Briefe, spaziere. Spaziere viel, spaziere so viel, dass du überlegst nach Lissabon zu spazieren und ein Buch darüber zu schreiben, mach’s — mach irgendwas, von dem es wahrscheinlich ist, dass du so ein wenig zufriedener wirst … mit dir; irgendwas, von dem es wahrscheinlich ist, dass du es vielleicht als sinnvoll empfindest und wofür du nicht viel Geld oder andere Ressourcen brauchst, das vielleicht sogar nebenbei noch einen positiven Effekt für die Allgemeinheit hat.
Das wäre also meine positive Vision von einem zukünftigen Leben: mehr Leute, „arbeiten“ weniger, machen mehr und sind gesünder und zufriedener mit sich. Wir nutzen Technologien endlich mal wirklich im Sinne der Menschheit, nicht im Sinne ein paar Weniger, nicht vorrangig im Sinne eines Wirtschaftssystems. Damit das aber möglich ist, braucht es sehr viel Veränderung — denn wir sind gerade nicht dabei, in so eine Utopie zu geraten, sondern in eine Katastrophe zu schlittern. Und damit das nicht geschieht, sollten wir versuchen, ehrlich an einer gerechteren Welt zu arbeiten.
Was uns dabei helfen kann, ist, denke ich, John Rawls’ berühmter Schleier des Nichtwissens. Dort fragen wir uns, wie wir die Welt gestalten würden, wenn wir nicht wüssten, in welches Land, mit welchen Gaben, welcher Hautfarbe, in welche Familie, usw. wir hineingeboren werden. Das Gedankenexperiment dient genau dazu, die oben beschriebene Tendenz, sich für die eigenen Interessen zu positionieren, zu umgehen. Denn darum scheint es zu gehen, wenn man sich ernsthaft fragt: Wie soll ich handeln?
Halte an dieser Stelle gerne inne und frag dich, wie du die Welt hinter dem Schleier des Nichtwissens gestalten würdest.
III: Fazit — viel zu tun
Die Menschheit und wir alle haben viel zu tun.
Dieser Beitrag war nicht der Versuch strategisch womöglich erfolgreichere Botschaften zu formulieren (à la “Wir können dem Individuum nicht zu viel auflasten, die Politik muss das machen.” — Schon allein, weil mein Vertrauen auf das Individuum noch immer größer ist als das auf die Politik.), sondern zu formulieren, was ich glaube, dass schwer fällt, wir aber tun müssen. Unter anderem ist das, eine gesunde Skepsis gegenüber einigen allzu menschlichen Tendenzen gewinnen und viele gesellschaftliche Defaults hinterfragen.
Konkrete Beispiele
In dem Beitrag wurde, denke ich, klar, dass meine Meinung ist, dass wir den unglaublich ineffiziente Individualverkehr (zunächst als Standard — 77% aller Haushalte besitzen mindestens ein Auto) hinterfragen müssen; d.h. dass wir den Verkehr in der Stadt auf mittlere Frist im Gros abschaffen sollten, also anstreben Fahrten mit einem PKW in der Stadt nur noch als Ausnahmen (bspw. für einen Umzug) zu sehen. Ich halte es für eine gute Idee, für den Verkehr zwischen Städten einerseits einige Autobahnspuren in Schienen umzuwandeln — so muss nicht noch mehr Wald abgeholzt werden, keine bedrohte Tierart vertrieben werden, niemand bekommt neuen Lärm vor die Haustür — und andererseits denjenigen, die noch immer mit dem PKW anreisen (müssen), von Punkten außerhalb Tram-Bahnen, Büsse, S-Bahnen in die Innenstadt zur Verfügung zu stellen. Wir müssen Flugreisen, geschäftlich wie privat, ebenso wie die Rolle von Social Media als Treiber von Bedürfnissen hinterfragen: Wozu animiert uns wohl eine Plattform, wenn mitunter jeder vierte Inhalt Werbung ist? Es ist nicht mehr tragbar, dass Kosten, die durch einzelwirtschaftliches Handeln entstehen, aber von der Allgemeinheit bzw. einem Dritten getragen werden — sogenannte externe Kosten —, weiterhin der Gemeinheit aufgelastet werden. Wie das Verschmutzen eines Flusses seit Jahren in Deutschland verboten ist, muss die Verschmutzung von anderen Teilen der Umwelt, wie z.B. der Atmosphäre bei Kerosin und Benzin, zumindest komplett eingepreist werden. Zuletzt gehört meiner Meinung nach auch neu gedacht, was standardmäßig auf den Esstisch kommt und warum ich, wenn ich etwas brauche, daran denke, es mir zu kaufen — nicht es mir auszuleihen.
Zusammenfassung
Vieles muss sich ändern, denn wir sind dabei in eine Katastrophe abzurutschen — und dabei ist dieses Wort noch eine Untertreibung. In dem Beitrag habe ich versucht zu beschreiben, welche Perspektiven uns dabei helfen können, das nicht zu tun. Auch meine ich, dass uns Faustregeln, wie
- sich mehr Pflichten aufzubürden, je mehr Fähigkeiten, Optionen, Geld und Macht man hat
- oder Impulse, seine Errungenschaften oder Privilegien zu verteidigen zu hinterfragen,
dabei helfen können, statt dieser Katastrophe eine bessere Welt für uns ebenso wie für zukünftige Generationen zu schaffen. Vor allem hilft dabei aber, denke ich, John Rawls’ Gedankenexperiment; vor allem hilft, sich in eine unvoreingenommene Lage zu versetzen.
Christentum zum Abschluss
Begonnen hat dieser Beitrag an einem christlichen Feiertag, am 24. Dezember 2022, am Weihnachtstisch. Ich bin in einem christlich geprägten Land aufgewachsen — wie wohl auch viele meiner Leser:innen — und die Partei, die in dem Bundesland, in dem ich lebe, regiert, nennt sich christlich. Am Ende dieses Beitrags habe ich nur kurz angedeutet, wie eine positive Zukunftsvision für mich aussehen könnte: dass wir mehr Verantwortung übernehmen, dass wir verzichten, dass wir aber auch an den richtigen Dingen — und für die richtigen Dinge arbeiten. Und manchmal wünschte ich mir, dass eine Botschaft, die mir u.a. in Kierkegaards Einübung im Christentum begegnete, ernster genommen würde: der Christ wird nicht Christ, indem er sich Predigten anhört und in die Kirche geht, sondern indem er das Christentum einübt — und wer war der wahre Christ? Was heißt es von ihm? Dass er das Leid der Welt freiwillig auf sich genommen hat. Und wenn er dann einmal predigte, dann hieß es: “Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.” (Matthäus 6, 19 – 21)
ENDE
Marco
Dankeschön
Außerdem möchte ich mich noch bei meiner Freundin Yoana ebenso wie bei Teresa und Polina für ihr Feedback bei den vorläufigen Versionen des Beitrags bedanken. Ich denke, dadurch sind viele neue Gedanken dazu gekommen, er ist zugänglicher und besser strukturiert geworden und immer wieder bin ich dadurch darauf gekommen, dass ich eigentlich nicht meinte, was ich schrieb. Und ich weiß, was ja zumindest mein Ziel ist:
[… to] speak philosophically and mean every word I [say].
Stanley Cavell
Der eigene Fußabdruck
Messen
Hier noch der CO2-Rechner vom Umweltbundesamt. Er ist nicht besonders genau, aber um sich einen Eindruck zu machen, wie weit man über den für das 1,5 Grad Ziel notwendigen unter 2,5 Tonnen pro Person pro Jahr liegt, reicht sogar er. Hier gibt es noch eine Carbon Footprint Tracking App, auf die ich erst vor wenigen Tagen gestoßen bin. Sie erfordert mehr Zeit und mehr Commitment, ist aber, meines Erachtens nach, auch um einiges genauer. Ich habe sie noch nicht ausprobiert, aber evtl. ist auch das für manch eine:n interessant.
Zuletzt: Wenn du noch etwas anderes von mir lesen willst, dann sind hier …
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In diesem Beitrag geht es auch wieder um Verantwortung — und wer sie trägt:
Und in diesem geht es auch wieder um die Verantwortung des:der Einzelnen und um den Zusammenhang Vermögen <—> CO2-Bilanz bzw. Reichtum <—> CO2-Bilanz:
… und hier …
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I guess, der nächste Beitrag sollte eigentlich immer mal wieder upgedated werden:
Kommentare von Marco Zander