Der Versuch der Held zu sein. … Liegt viel Arbeit darin, Held eines Buches zu sein, lieber Spuki. Das ist man nicht automatisch. Man könnte auch jemand anderes sein: Antagonist oder Nebencharakter oder… ja… nicht darin vorkommen. Aber, Spuki, immerhin lohnt sich die Arbeit; vielleicht ist sie eins der wenigen Dinge ist, die sich wirklich lohnen, auch wenn sie nicht immer belohnt werden. Und wer weiß, vielleicht bist du in diesem Buch nicht der Held, aber in einem ganz anderen. Nein, lieber Spuki, die Arbeit wird nicht immer belohnt. Hart ist das vor allem dann, wenn man sieht, dass andere belohnt werden, von denen man glaubt zu wissen, dass sie es gar nicht verdient haben. Aber zu sehen, dass man genauso leicht der Antagonist sein könnte, dass man sich davor in Acht nehmen muss, sollte Motivation genug sein, zu versuchen, der Held zu sein. Aber das mit dem Antagonisten ist vielleicht noch eine leere Lehre für dich. Was dich aber viel mehr berührt ist, wenn du mal wieder Spuki, mit seiner komischen Sprache, bist, dem von einem 900 Seiten Buch gut … 25 Seiten gewidmet sind, der aber dennoch ganz sympathisch ist. … Allein der drollige Name. Aber halt wieder nur irgendeiner… Spuki, halt.
François hängt der Vergangenheit nach:
Mädchen aus der Lombardei. Erinnerst du dich noch?
Zu unserer Schulzeit, als dich noch niemand interessant fand?
Niemand verstanden hat, was ich in dir gesehen habe?
Und heute: Sieh dich an!
Wie geht es dir?
Vapiano, Berlin Alexanderplatz… nein… Nochmal von vorn.
Vapiano, Berlin im Europa Center.
François überlegt, was er nehmen soll… einen weißen Burgunder? “Wie findest du den?” Weißer Burgunder schmeckt ihr nicht so besonders… im Abgang… schmeckt er ihr nicht so besonders. François bestellt ihn trotzdem. Sie bestellt sich ein Bier. Aus Protest?
Einige Monate später:
Vapiano, Nürnberg.
François… fängt mal positiv an: “Ich weiß nicht, ob du’s wusstest, aber ich find’ dich sowohl als Frau gutaussehend, als auch als Gesprächspartner… angenehm. Wir können über Themen reden, über die nicht viele Menschen gerne sprechen. Das ist für mich ziemlich selten und macht dich nicht nur als Mensch, sondern auch als Frau interessant… für mich.”
Er macht eine kurze Pause. Und schaut ihr in die Augen. Schaut wieder zur Seite. Denkt noch einmal kurz nach, spricht dann weiter.
“Aber… was ich ansprechen wollte… ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen, dass sich das… mit dem Interessantfinden… ziemlich gemildert hat. Auch deswegen haben wir uns jetzt länger nicht mehr gesehen… aber ich dachte mir, vielleicht ist das interessant für dich zu erfahren, wann das geschehen ist; weil irgendwie hast du es ja schon immer genossen, dass ich dich interessant fand. Waren eigentlich zwei Sachen. Das Erste war: Als ich dir den Brief mit dem Text von mir geschickt habe. Dann gewartet habe und du ihn erst einmal gar nicht gelesen hast. Keine Rückmeldung, nachdem er angekommen war… und dann… bist du nur nebenher darauf eingegangen. Er war von Hand geschrieben. Da habe ich mich gefragt: Wer macht sowas?
Das Zweite war, als wir uns mal wieder trafen, auf ein Glas Wein. Dann hast du die ganze Zeit nur über deinen Freund gelästert und ich saß’ nur da und hab’ mich gefragt, warum du dann mit ihm zusammen bist… oder wenn du trotzdem mit ihm zusammen sein willst, warum du dann nur schlecht über ihn redest. Da habe ich mich gefragt: Wer macht sowas? Und was soll ich von jemanden halten, der das macht? Ach… und das nächste Mal wäre die Info, dass du gerade einen Freund hast, auch davor interessant gewesen.”
In Gedanken fügt er hinzu: Klar… mittlerweile bist du wohl nicht mehr mit ihm zusammen. Aber mittlerweile… hat sich das bei mir… ja auch gemildert. Was? Bist du schon noch? … Hmm… interessant.
Für François wird “Nein, kein Problem… das macht mir nichts mehr aus. Wirklich, mach’ dir da keinen Kopf.” zu “Nein, begleit’ mich jetzt lieber nicht. Lass mich jetzt lieber allein.” Ein Fortschritt? Fühlt sich nicht so an. Aber vielleicht ist es die Veränderung ja trotzdem.
Im Englischen würde man ihn wohl als “Fool” bezeichnen… ich weiß nicht, welche Bezeichnung man ihm im Deutschen geben würde… vielleicht “Dussel”, eventuell “Narr”.
Die Protagonistin Vin sagt zu Spuki:
“Es liegt nicht an dir. Wirklich nicht.”
Ja, mein lieber Spuki, es liegt nicht an dir. Das Problem ist nur: Was ist es dann? Ist es eine Welt, die leider nicht vorgesehen hat, dass ein Spuki in ihr sein Glück finden kann?… Nein, das darf es doch auch nicht sein.
“Es ist nur so, dass … weißt du, man kann es nicht steuern, wen man liebt und wen nicht. Glaube mir, es gibt einige Männer, die ich lieber nicht geliebt hätte.”
Na… das hilft.
“Sie hatten es nicht verdient.” [Dann nickt er.] “Ich versteh.” [Vin fragt noch:] “Darf ich das Taschentuch trotzdem behalten?” Er zuckt die Achseln. “Danke”, sagte sie. “Es bedeutet mir eine Menge.”
Spuki denkt: “Eine Menge also… Na dann… lass mich jetzt lieber allein.”
Parallel dazu denkt Spuki auch: “Ach halt doch die Fresse.” Nimmt das in Gedanken aber schon wieder zurück, bevor er es auch nur zu Ende gedacht hat, weil er weiß, dass es ja nicht ihre Schuld ist. Das Zurücknehmen ist auch nochmal leichter, weil er auf einer dritten Spur denkt:
“Dir werde ich es schon noch zeigen… warte du mal ab… in zehn Jahren… dann wirst du wünschen, Spuki wäre jetzt noch für dich da.” Das… nimmt er nicht wieder zurück… vielleicht den letzten Teil… vielleicht.
Was macht er wirklich?
Er schaute auf und starrte hinaus in den Nebel. “Bin doch keen Blödmann. Hab gwusst, dass nix draus wird. Ich seh Dinge, Vin. ‘ne Menge Dinge.”
Marco
*Volt ist elektrisches Potenzial. Voltaire hieß eigentlich François-Marie Arouet.
**Spuki ist ein Charakter aus Brandon Sandersons Buch “Kinder des Nebels”. Zitate sind als solche markiert.
Kommentare von Marco Zander