In dem Beitrag gibt es erstmal das russische Original eines Gedichts des Philosophen Wladimir Sergejewitsch Solowjow (* 1853 — † 1900). Weil mich das Gedicht begeistert hat, habe ich versucht, es frei ins Deutsche zu übersetzen, ohne dabei allen Reim zu verlieren. Was dabei rausgekommen ist, folgt danach.
Die russische Fassung habe ich außerdem noch anderen Student:innen gezeigt, bei denen ich glaubte, dass sie ihm auch etwas abgewinnen könnten und: das konnten sie. Deswegen haben sie dann auch noch eine mal mehr, mal weniger freie Übersetzung in ihrer Muttersprachen angefertigt. Deswegen ein großes Dankeschön an Caterina (Italienisch), Mitsuki (Japanisch) und Nastassja (Französisch).
Die Bilder von den Übersetzungen sind dann am Ende des Beitrags zu sehen, sowie ein Bild meiner Abschrift des Gedichts mit ein bisschen Gekritzel während meines Heimflugs von Sibirien nach Moskau. Außerdem haben wir noch eine chinesische Übersetzung. 🙂 Jetzt aber erstmal:
Das russische Original
Милый друг, иль ты не видишь,
Что всё видимое нами –
Только отблеск, только тени
От незримого очами?Милый друг, иль ты не слышишь,
Что житейский шум трескучий –
Только отклик искажённый
Торжествующих созвучий?Милый друг, иль ты не чуешь,
Владимир Сергеевич Соловьёв
Что одно на целом свете –
Только то, что сердце сердцу
Говорит в немом привете?
Auf Deutsch
Mein werter Freund, wie kannst du nicht sehen,
Dass alles, was wir sehen mögen,
Nur ein Abglanz, nur ein Schatten,
Von etwas, uns’re Augen nie zu sehen vermögen?Mein werter Freund, wie kannst du ihm nicht lauschen,
Dass man uns, mit kalt-klirrend irdisch’ Lauten,
Nur ein skurriles Nachklingen verlieh,
Von einer triumphalen Melodie?Mein werter Freund, wie fühlst’ du nicht jenes Licht,
Wladimir Sergejewitsch Solowjow; frei übersetzt von mir (Marco Zander)
Jenen einzig ungebroch’nen Fluss,
Den das eine Herz dem andr’en spricht
— in einem stummen Gruß?
Die Bilder der Übersetzungen
Russische Abschrift von mir. (Mit dem fehlgeschlagenen Versuch der optischen Aufhübschung.)
Italienisch von Caterina:
Japanisch von Mitsuki:
Französisch von Nastassja:
Chinesisch:
Danke an euch alle und an meinen Philosophie-Professor, Nikolai Biryukov, der mich auf das Gedicht aufmerksam gemacht hat.
Anmerkungen
Es folgen ein paar später hinzugefügte Anmerkungen.
I – eine professionelle Übersetzung
Heute (am 14.08.2020) habe ich in der Philosophie-Bibliothek der LMU eine weitere Übersetzung gefunden. Sie ist aus diesem Buch:
Stahl, H. (2019). Sophia im Denken Vladimir Solov’evs: Eine ästhetische Rekonstruktion. Aschendorff Verlag.
Und geht so:
Lieber Freund, vermagst du nicht zu sehen,
Dass für uns der Dinge Fülle:
Ist ein Abglanz nur, ein Schatten,
Der unsichtbaren Welten Hülle?Lieber Freund, vermagst du nicht zu hören,
Dass für uns des Lebens Klänge:
Sind ein Echo nur verzerrt
Der harmonischen Gesänge?Lieber Freund, vermagst du nicht zu spüren,
im Original von: Wladimir Sergejewitsch Solowjow; übersetzt von Henrieke Stahl
Dass für uns ein einz’ges lebet:
Nur worin das Herz zum Herzen spricht,
Sich zum stummen Gruß erhebet?
II – Streuner
Der Beitrag „Streuner“ ist außerdem ein sehr langer Beitrag, den ich geschrieben habe, nachdem ich mich länger mit diesem Gedicht auseinandergesetzt habe.
Aber… das sind 30 Minuten Lesezeit, eher mehr und teils auch… naja eher anstrengend zu lesen… ich finde ihn toll und er steht definitiv in Zusammenhang mit dem Gedicht… nun… wer will, der darf ihn gerne lesen. Ist halt lang und anders.
III – Solowjow und der Sinn der Liebe
Außerdem findet man Solowjow auch noch in ein paar anderen Beiträgen von mir. Mitunter in diesem:
Kommentare von Marco Zander