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Coco würde nicht Chanel tragen und Larry Page nicht für Google arbeiten.

Ja, wahrscheinlich würde Goethe kein Drama, vermutlich nicht mal Gedichte schreiben und mit Sicherheit wäre Sophie Scholl nie auf Corona-Demos gewesen. Vielleicht würde Nietzsche noch immer dafür gefeiert, pointiert und geistreich eine mitleidslose Perspektive zu vertreten, dafür, von Herrenmenschen zu schreiben – davon, dass Befehlen schwerer ist als zu gehorchen; vielleicht wäre er noch immer missverstanden und vielleicht würde sein Versuch, mich niederzubrüllen, der ich ihn missverstehe, noch immer den wahren Inhalt seiner Texte entstellen. Der vielleicht, vielleicht auch nicht ihn oder irgendetwas missverstehende Raskolnikow zerbräche sich noch immer den Kopf darüber, ob die gewöhnlichen Menschen die Herren im Jetzt seien und die außergewöhnlichen, die Herren der Zukunft, in ihrer Zeit oft hingerichtet würden. Und er würde nicht hingerichtet. Ebensowenig würde jener hingerichtet, der 1794 – also fast hundert Jahre vor dem, was Nietzsche so schrieb – sterben musste, weil er zu radikal dachte: für Frauenrechte kämpfte.

Hättest du damals für Frauenrechte gekämpft?

Heute würde er vermutlich nicht mehr für Frauenrechte kämpfen … heute würde ihm erlaubt zu existieren. Er müsste sich nicht in irgendeinem Loch verkriechen. Man würde ihm nur nicht zuhören; es gäbe keine Ohren für diesen Mund, der vom Abstrahieren im Sinne des Lebendigen spräche, nicht nur davon, sich in eine unvoreingenommene Position hinsichtlich des Geschlechts, der Hautfarbe, der Nationalität und des Vermögens zu versetzen, wenn er vom Leid der Tiere spräche, vom Leid der Welt, das wieder auf uns zurückfällt.


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Literaturverzeichnis