Leider weiß ich den genauen Wortlaut nicht mehr, aber ein guter Freund hat letztens zu mir gesagt, dass er daran, wie viel sich Leute mit Musik beschäftigen, oft erkennt, wie viel sie sich mit dem Leben beschäftigen. Vielleicht war es auch mehr in die Richtung: “Ob Menschen Musik einen echten Stellenwert in ihrem Leben einräumen, ist mir ein guter Hinweis darauf, wie sehr sie sich mit dem Leben beschäftigen.” Es tut mir leid, dass ich es nicht mehr genau wiedergeben kann, weil er zu dieser Art von Aussage meist über einen längeren Prozess gekommen ist und — auch wenn es in seinen Ohren noch immer ungewohnt klingt, dass man das mittlerweile über ihn sagt — die einzelnen Worte mit bedacht gewählt wurden. Die Sätze, die so entstanden, sind manchmal einfacher als das, was ich so vor mich hinschwalle, halten dafür aber mindestens einem Realitätscheck stand, wo meine einfach noch grün hinter den Ohren sind.
So wurde es, nach vielen Gedichten, Geschichten und Beiträgen, die viel Raum für Interpretation lassen, mal wieder Zeit… echt was zu sagen. Etwas, dass dann mit weniger Interpretationsspielraum Einblick in das gewährt, was ich denke — nicht das, was irgendein Charakter denkt, und ich mir damit vorstellen kann zu denken, sondern: in das, was ich denke — und das bedeutet dann für mich: in etwas, das ich auch versuche zu leben. Und zwar Folgendes: dass Menschen, von denen ich Wertvolleres lerne, sich Zeit genommen haben, sich mit dem Leben zu beschäftigen.
Vielleicht werde ich irgendwann erkennen müssen, dass man, um auf einem bestimmten Gebiet wirklich erfolgreich zu sein, alles andere ausblenden muss, all seine Zeit in eine einzelne, abgeschlossene Sphäre einbringen muss; dass man dann einfach keine Zeit mehr hat, noch groß über das (und sein eigenes) Leben nachzudenken; man dieses Nachdenken dann auf ein Später verschieben muss, das nicht unbedingt ein Jetzt-ist-es-zu-spät werden muss, aber es wahrscheinlich werden wird.
Aber (noch) ist das, was ich versuche zu leben etwas anderes: Ich versuche Zeit zu finden, auch Leidenschaften zu leben, weil das für mich auch bedeutet, sich mit dem Leben auseinanderzusetzen; vielleicht, weil sie das sind, was das Sich-lebendig-Fühlen ausmacht. Und: Ich meine damit jetzt nicht dieses “Uuuuuh… Ja! Ich bin so motiviert für meine Arbeit!”-leidenschaftlich der Woo-Girl Version eines mitzwanzigjährigen Unternehmensberaters, sondern echt leidenschaftlich für etwas, das man um seiner selbst willen tut. (Ohne zu sagen, dass man nicht auch Begeisterung für seine Arbeit empfinden kann; ohne zu sagen, dass das nicht sogar erstrebenswert ist.) Jene Leidenschaft haben viele aber schon mit 21 Jahren verloren, die meisten sind spätestens mit 26 raus aus dem Game. Weil sie der Ernst des Lebens eingeholt hat. …
Das ist dann auch in Ordnung, aber viel zu oft geschieht das nicht als bewusste Entscheidung, sondern weil man jahrelang die Augen davor verschlossen hat, was man eigentlich gerade lebt, wohin das führt und wohin es andere geführt hat, die den gleichen Weg eingeschlagen haben. Wenn diese bewusste Entscheidung für sein Leben nie stattgefunden hat, dann… dann ist es noch immer in Ordnung, aber halt nicht das, was ich sein will. Und eben nicht die Art von Mensch, die ich gerne um mich habe; und auch mit bewusster Entscheidung ist es noch nicht notwendigerweise die Art von Mensch, von denen ich bisher Wertvolleres über das (oder für mein) Leben gelernt habe.
Ich glaube, was sie ausmacht, ist auch diese bewusste Entscheidung. Darüber hinaus aber noch, dass sie breiter — und mit vermeintlich sinnlosen Leidenschaften —im Leben aufgestellt sind. Bei ihnen scheint nicht nur die berufliche Domäne die Gedankengänge zu bestimmen. Das ist mir auch wichtig, weil ich immer wieder sehe, dass aus den vermeintlich sinnlosen Leidenschaften echt Wertvolles entstehen kann. Wertvoller als das bei vielen beruflichen Tätigkeiten der Fall zu sein scheint. Aus den vermeintlich sinnlosen Leidenschaften kann beispielsweise die Verbindung mit einem Menschen, das gemeinsame und dann lebendigere Arbeiten an einem Projekt in einem ganz andere Kontext oder eine neue Idee entstehen.
Ich weiß, dass es schwierig wird, das zu leben. Ich weiß, dass es wahrscheinlicher ist, dass ich das selbst nicht auf die Reihe kriege, aber: ich will es schaffen. Ich will es schaffen, weiterhin Zeit für vermeintlich sinnlose Leidenschaften zu erhalten, auch wenn das weiterhin bedeutet an anderer Stelle, nicht mein volles Potenzial auszuschöpfen. Ich will Zeit für vermeintlich sinnlose Leidenschaften erhalten — und eine davon ist, sich Zeit zu nehmen, über das Leben nachzudenken — , weil mir das bei Menschen, die auf viele bewundernswert scheinen, fehlt; mir das bei Menschen, die viel Arbeit investieren, in einer bestimmte Sphäre, durch einen bestimmten Rang oder mit einem bestimmten Symbol bewundernswert zu scheinen, fehlt; weil ich das im Gegensatz dazu bei Menschen sehe, von denen ich Wertvolles über das Leben lerne und die ich tendenziell eher für bewundernswert halte.
OK. Das war’s.
Was sollst du mitnehmen? Vielleicht sowas wie: Wohin hat der Weg, den du gehst, die Menschen geführt, die diesen gegangen sind? Willst du so sein? Und sonst… nimm’ einfach das mit, was du aus dem Beitrag mitnehmen willst.
Kommentare von Marco Zander